Das Germanistische Institut freut sich außerordentlich, dass unter Sprecherschaft von Prof. Christina Lechtermann (Germanistische Mediävistik) das Graduiertenkolleg (GRK) 2945: Wissen – Glauben – Behaupten: Wahrheitsproduktion und Wahrheitsdurchsetzung in der Vormoderne von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird!
Das Graduiertenkolleg soll Wahrheitsproduktion und Wahrheitsdurchsetzung zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert untersuchen. Es zielt damit auf einen Zeitraum, der ebenso durch soziale, politische und religiöse Dynamiken wie durch Transformationen der Wissenskulturen, durch Medienwandel und veränderte Öffentlichkeiten geprägt ist, in dem sich Semantiken von Wahrheit und Wissen ausdifferenzieren, während gleichzeitig ihre rhetorischen oder moralischen Äquivalente sowie etablierte rituelle und institutionelle Sicherungsformen wirksam bleiben.
Wir wollen Promotionsprojekte gewinnen, die einerseits untersuchen, wie behauptet, durchgesetzt und annehmbar gemacht wird, was als wahr gelten und was mithin Sprechen, Denken, Handeln und Entscheiden anleiten soll. Andererseits soll untersucht werden, wie in Texten, Bildern und Inszenierungen Prozesse der Wahrheitsproduktion beobachtet und reflektiert werden. Untersucht werden dabei gleichermaßen Europa und seine frühen kolonialen Kontaktzonen sowie China und Korea, die sich durch ihre ausdifferenzierte Schriftkultur und deren spezifische Dynamiken für eine vergleichende Betrachtung besonders eignen.
Indem wir nach der ‚Gemachtheit‘ von Wahrheit fragen, tragen wir der Tatsache Rechnung, dass Wahrheit, auch wenn sie als gegeben, unerreichbar oder ewig verstanden wird, nur im Modus ihrer Vermittlung fassbar ist. Wahrheit muss behauptet werden, ihr Status muss spezifisch angeschrieben oder medial verkörpert werden, sie erscheint medienimmanent.
In Ergänzung zu bereits vorliegenden Forschungen zur Geschichte des Wissens und der Wissenschaften, zur Artikulation institutioneller Geltungsansprüche oder zur Rolle des Experten stellt das GRK die Praktiken und Prozesse der Wahrheitsproduktion in ihrer Abhängigkeit von Materialität und Materialien ins Zentrum. Es beobachtet Wahrheitsproduktion als Bündel aus Verfahren, Handlungen, Haltungen und materiellen Ensembles oder Arrangements, in denen menschliche Akteure, Medien, Dinge und räumliche Anordnungen zusammenspielen. Körper, Instrumente, Werkzeuge, Naturdinge, Artefakte, Texte, Bilder, Diagramme, Architekturen, Werkstätten, Gerichtsorte oder Bühnen haben teil an der Behauptung von Wahrheit.