Eine außergewöhnliche Ehrung: Fernsehpreis für eine Kollegin aus der Germanistik: #lichtbeidernacht, eine Aktion für die Kumpels und die Solidarität.

Foto: Christiane Niesel mit ihrer Aktion am Fenster
#lichtbeidernacht und dem Bremer Fernsehpreis 2019 (Foto: C.F)

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Eine außergewöhnliche Ehrung: Fernsehpreis für eine Kollegin aus der Germanistik: #lichtbeidernacht, eine Aktion für die Kumpels und die Solidarität.

Christiane Niesel arbeitet als Verwaltungsmitarbeiterin am Germanistischen Institut der Ruhr-Universität Bochum und gewann mit ihrer Idee Mitte November den Bremer Fernsehpreis 2019 in der Rubrik „Die gelungenste Zuschauerbeteiligung“.

Ihre Idee ist außergewöhnlich und sehr gelungen, aber der Reihe nach: Als ‘Pottkind’ lebt Frau Niesel seit ihrer Geburt in Bochum. Mit Ihrem Mann Sascha und ihrem Sohn Lukas bewohnen sie ein Zechenhaus. Dieses liegt zwischen zwei ehemaligen Zechenstandorten, auf denen die Opas (ihre beiden Opas und der Opa ihres Mannes) unter Tage malochten, der eine sogar als Steiger.

Im Frühjahr 2018 durfte Frau Niesel an einer Grubenfahrt auf Prosper Haniel teilnehmen, dieses Erlebnis beeindruckte sie sehr. Einen Kilometer unter der Erde tauchte sie ab in die Welt der Bergmänner.  Der WDR lancierte Mitte September 2018 einen WhatsApp-Channel, über den man die letzten hundert Tage des Bergbaus im Pott nach verfolgen konnte. Nachdem Frau Niesel diesen Chanel abonniert hatte, kam ihr Ende Oktober die Idee, zum Abschied des Pott-Bergbaus ein Zeichen der Solidarität mit den Kumpels setzen zu wollen: das „Licht bei der Nacht“. Sie wandte sich an die Lokalzeit Ruhr, die die Idee von Frau Niesel sehr gelungen fand. In Zusammenarbeit mit der Lokalzeit Ruhr wurde die Schablone entworfen,, die gratis als PDF zur Verfügung gestellt wurde, sodass jede und jeder im Revier dieses Zeichen der Solidarität ins Fenster hängen konnte. Auch wurden Fernsehbeiträge erstellt, die zum Mitmachen aufriefen und die Initiatorin und ihre Familie vorstellten. Und im Radioprogramm des WDR durfte Frau Niesel ebenfalls über ihre Aktion „Licht bei der Nacht“ berichten.

Von hinten angeleuchtet, strahlten die Fördertürme am Abend des 20.12.2018 in den Fenstern des Reviers und weit darüber hinaus, „sogar bis nach Berlin“, staunte Sohn Lukas. Auch auf, Facebook und Twitter wurde fleißig gepostet: Aus allen Teilen der Welt wurden Fotos von den strahlenden Fördertürmen in den leuchtenden Fenstern eingereicht, zum Beispiel aus Dubai und Alaska.

Anfang November 2019 meldete sich die Lokalzeit erneut bei Frau Niesel, um ihr mitzuteilen, dass ihre Aktion für den Bremer Fernsehpreis 2019 in der Rubrik „gelungenste Zuschauerbeteiligung“ nominiert sei. Am Abend des 8. November 2019 schließlich setzte sich diese wunderbare Idee gegen zwei andere Projekte durch, und Frau Niesel und die Lokalzeit Ruhr gewannen den Bremer Fernsehpreis 2019.

Das Germanistische Institut Bochum gratuliert ganz herzlich zu dieser besonderen Idee und dem außergewöhnlichen Preis! Glück auf!


Nach dieser sehr gelungenen Aktion traf ich die Gewinnerin zum Interview in ihrem Büro:

CF: Vielen Dank für Ihre Zeit, Frau Niesel! Als Nicht-Pottkind musste ich mich erstmal in die Aktion „Licht bei der Nacht“ einlesen, habe aber natürlich noch ein paar Fragen an Sie: Die Idee, als ‘Pottkind’ ein Zeichen für die Kumpels zu setzen und Solidarität zu zeigen, kam nach einer Grubenfahrt auf Prosper Haniel im Frühjahr 2018, aber wie kamen Sie auf das Symbol und die Idee, dieses im erleuchteten Fester für alle sichtbar zu machen?

CN: Die Schablone hat der WDR entwickelt, ich hatte die Idee anlässlich des letzten Tages auf Prosper Haniel, ein Zeichen setzen zu wollen, aber die Vorweihnachtszeit mit den sowieso schon beleuchteten Fenster machte es nicht ganz einfach. Darum musste ein kostengünstiges, für jeden verfügbares Symbol her, das mit dem Bergbau zu tun hatte. Die WDR-Redaktion brachte dann die Idee mit dem Förderturm, der Name und die Idee dahinter sind von mir.

CF: Sie wohnen mit Ihrer Familie in einem alten Zechenhaus, ist es noch das Haus von Ihrem Opa oder aus der Familie?

CN: Es ist leider nicht das Haus meines Opas, aber mein Mann hat ein altes Zechenhaus im selben Stadtviertel gefunden, wo wir aufgewachsen sind. Seine Oma hat lange Zeit neben unserem später gekauften gewohnt und ist vor 10 Jahren in unser Haus gezogen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie früher die Kohlen für den Kohleofen geliefert wurden und die Großeltern diese in den Kohlenkeller gescheppt haben.

CF: Und jetzt ist diese Ära der Kohle zu Ende, wie fühlt sich das für Sie an?

CN: Es ist schon komisch: Man selbst kennt den Bergbau-Beruf nur aus Erzählungen, trotzdem war es ein absoluter Knochenjob, welcher gefährlich war. Beeindruckend finde ich auch, wie die Bergleute dazumal unter Tage gearbeitet haben, ohne Atemschutz, Helme oder ähnliche Sicherheitskomponenten, und wenn doch mal was passiert ist, mussten sie sehr lange Wege gehen, bevor ihnen geholfen werden konnte. Klar sind die Bergleute mit 50 in den Ruhestand gegangen, aber sie haben mit 14 Jahren unter Tage angefangen zu arbeiten und viele haben die Rente wegen den Folgekrankheiten gar nicht erst antreten können. Wenn man im Ruhrpott lebt, wurde diese Zeit durch unsere Großeltern und Eltern doch noch sehr lebendig gehalten – und unser Sohn wollte immer alles darüber wissen.

CF: Wie war es bei einem Beitrag für die Lokalzeit Ruhr vor der Kamera zu stehen?

CN: Es war ein absolutes Erlebnis: Wenn man den fertigen 3-minütigen Beitrag im Fernsehen zu sehen bekommt, sieht man die Arbeit dahinter nicht. Das Kamerateam war da und hat Szenen teilweise x-mal aus unterschiedlichen Blickwinkeln gefilmt und aufgenommen. Das Licht musste perfekt sein, die Einstellungen mussten passen und der sprachliche Inhalt ebenfalls. Es ging über drei Stunden, bis das Kamerateam alles im Kasten hatte.

CF: Und wie war es, im Radio über „Licht bei der Nacht“ zu sprechen?

CN: Ich wurde ins Studio Dortmund eingeladen und habe da Aufzeichnungen machen dürfen. Klar musste ich vorher überlegen, was ich sagen möchte, aber mit gezielten Fragen meines Gegenübers ging das Radio-Interview fast von selbst.

CF: Dann stand plötzlich die Nominierung im Raum – wie erfuhren Sie davon?

CN: Ich wurde kurz vor der Preisverleihung über die Nominierung per Telefon informiert, und die Lokalzeit lud mich zur Preisverleihung in Bremen ein. Natürlich sagte ich zu und fuhr am 8. November 2019 mit der Bahn nach Bremen. Und dann gewinnt meine Idee – ich habe es im ersten Moment nicht realisiert, erst als mich der Moderator Frank Plasberg auf die Bühne holte.

CF: Ist in der Zwischenzeit Ruhe eingekehrt, oder ist das Projekt noch lange nicht vorbei?

CN: Der eine oder andere Förderturm ist im Fester hängen geblieben, auch werde ich noch drauf angesprochen. Das Schöne an meiner Idee war, dass es eine runde Sache war: Die Menschen haben gegenüber der Tradition des Bergbaus und den Kumpels Solidarität gezeigt. Diese haben jahrelang unter Tage für unsere Region gearbeitet. Es ging darum, diesen Menschen Anerkennung und Respekt zu zollen und eine letzte Ehre zu erweisen. Klar wird die Geschichte des Bergbaus erhalten bleiben, aber die letzte Zeche wurde geschlossen. Somit wird ein Kapitel, welches unsere Region über Generationen prägte, abgeschlossen. Trotzdem soll die Erinnerung noch lange erhalten bleiben.

CF: Frau Niesel, vielen Dank für das spannende Gespräch – und noch einmal herzlichen Glückwunsch!


Christiane Niesel arbeitet als Verwaltungsangestellte am Lehrstuhl von Prof. Armin Schäfer am Germanistischen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Wer noch mehr über „Licht bei der Nacht“ erfahren oder die Sendung noch schauen möchte, kann sich gerne unter den folgenden Links einen Eindruck verschaffen:


Webseite Licht bei der Nacht
Sendung in der WDR-Mediathek
Preisverleihung vom Bremer Fernsehpreis

[C. F