Eine schöne Zeit: „Die Sommerschule Deutsch als Zweitsprache für neu zugewanderte Schüler:innen an der RUB“.

Bild: Arbeitsmaterial der Sommerschule CF

Vergangene Woche endete die 3-wöchige „Sommerschule Deutsch als Zweitsprache“ (DaZ). Vom 26. Juli bis zum 13. August 2021 konnten neu zugewanderte Kinder und Jugendliche aus sechs Bochumer Schulen an der „Sommerschule DaZ“ teilnehmen. Während dieser Zeit wurde ihnen geholfen, ihre Deutschkompetenzen zu verbessern und zu vertiefen. Zum ersten Mal fand dieses Projekt unter Corona-Bedingungen an der RUB statt.

Im Rahmen des Berufsfeldpraktikums „Sommerschule DaZ“ wurden die 56 angemeldeten Schüler:innen von 34 Lehramtsstudierenden der RUB betreut. Diese sind zuvor in multidisziplinären Blocklehrveranstaltungen auf die Inhalte und Aufgaben vorbereitet worden. Das Spektrum der Ausbildungsinhalte war für die Studierenden sehr breit gefächert und mit Vorleistungen verbunden. Durch den Arbeitsbereich „Sprachbildung und Mehrsprachigkeit“ erhielten die Studierenden eine Ausbildung im Bereich der Fremd- und Zweitsprachendidaktik mit Schwerpunkten in der Sprachstanddiagnostik. Des Weiteren erlernten die Studierenden Ansätze zur Unterrichtsplanung und Aufgabenentwicklung. Der gemeinsame Boden der Unterrichtsplanung bestand darin, dass sämtliche Studierendentandems für ihre Arbeit mit den Schüler:innen den gleichen didaktischen Leitprinzipien von kompetenz-, handlungs- und projektorientiertem Sprachunterricht für ihre Unterrichtsplanung und Durchführung gefolgt waren. Lernen mit allen Sinnen bildete dabei einen wichtigen Bestandteil. Was alle Gruppen neben den zentralen Prinzipien für den Unterricht darüber hinaus geteilt hatten, war, dass sie die sprachliche Förderung der Schülerinnen und Schüler an sogenannten Erwerbssequenzen ausgerichtet hatten, die es erlaubten, begründete Hypothesen über die, als nächstes anstehenden sprachlichen Entwicklungsschritte der Lernenden aufzustellen. Auf diesem Hintergrund wurde die Förderung geplant. Erweitert wurde das Lehrangebot durch externe Expertinnen und Experten, um Einblicke in traumapädagogische Ansätze und asyl- und aufenthaltsrechtliche Aspekte zu erlangen. Abgerundet wurde das Angebot von Lehrinhalten in Bereichen der Inter- und Transkulturalität.

Für alle studentischen Arbeitsgruppen galten ebenfalls die übergeordneten Wochenthemen: „Alltag“, „Natur“ und „Kultur“. Zu diesen Wochenthemen entwickelten die Studierendentandems dann individuelle Projektideen und Unterrichtseinheiten. Hinzu kam die Wochenstruktur, mit Unterrichtszeiten von 9:30-12:30 Uhr und einer gemeinsamen Mittagspause von 12:30 -13:30 Uhr an drei Tagen pro Woche (montags, mittwochs und freitags). An den zwei langen Tagen wurden Exkursionen durchgeführt (Dienstag und Donnerstag). Die Exkursionen stellten zentrale Elemente der Sprachförderung und Unterrichtsplanung dar, da die Unterrichtsinhalte hier somit erfahrungsbasiert vermittelt und vertieft werden konnten.


Glücklicherweise erlaubte die Pandemielage den Unterricht vor Ort, selbstverständlich flankiert durch eine Teststrategie und unter Einhaltung sämtlicher Corona-Auflagen. In Kleingruppen, die aus studentisch geleiteten festen Tandems von zwei bis drei Studierenden bestanden, betreuten diese zwischen vier bis acht Schüler:innen. In diesem Kontext bot sich mir die Gelegenheit, die Gruppe von Carina Daxenberger, Tine Gerling und Melina Zwintzscher für einen Tag zu begleiten. Sie hatten im Vorfeld ihre Unterrichtseinheiten und Projekte alle individuell geplant und durften dabei auch Schwerpunkte ihrer Studienfächer einfließen lassen. Da der Unterricht individuell pro Gruppe zusammengestellt wurde, sollen meine Schilderung nur ein Beispiel für die Arbeit in der Sommerschule darstellen:

Mein Tag startete in der Bochumer Innenstadt beim Corona-Testzentrum. Danach ging es direkt ins GB, wo mich Verena Cornely Harboe empfing und mich mit Carina bekannt machte. Diese war bereits mit den Tagesvorbereitungen beschäftigt. Für jede:n der teilnehmenden Schüler:innen und Studierenden wurden Tüten mit Arbeitsmaterialien vorbereitet. Zusammen mit Carina schritten wir zum Außentreffpunkt vor GA, wo Tine Gerling schon auf uns wartete. Nach und nach trafen die Schüler:innen ein, eine gemischte und sehr fröhliche Gruppe. Sie alle waren zwischen 11 und 14 Jahre alt und kamen unter anderem aus Albanien, Syrien oder Thailand. Gemeinsam liefen wir zum Kursraum, den wir festlich geschmückt vorfanden, denn Tine hatte Geburtstag und dies wurde mit einer Kleinigkeit gefeiert.

Sehr schnell spürte ich, dass der Gruppenzusammenhalt mehr als geglückt war und die Schüler:innen hervorragend harmonierten. Doch warum diese Feststellung? Obwohl jeder dieser Schüler:innen eine lange Reise hinter sich hatte, trotz anfänglicher sprachlicher Barrieren und unterschiedlichster Herkunft und kulturellem Hintergrund, verstanden sie sich auf Anhieb – eine Tatsache, die in diesem besonderen Setting nicht selbstverständlich ist und zeigt, dass Integration und Lernen nur gemeinsam funktionieren kann. Außerdem waren die Schüler:innen allesamt freiwillig hier und schenkten diesem Projekt drei Wochen ihrer Sommerferien.

Die Wochen waren alle ähnlich aufgebaut: Montag, Mittwoch und Freitag besuchten die Schüler:innen die RUB, um gemeinsam mit den Studierenden die Lerninhalte zu lernen und zu vertiefen. Dienstag und Donnerstag waren die Exkursionstage, an denen gemeinsam Museen, Zoos oder andere kulturelle Einrichtungen besichtigt wurden. In diesem Zusammenhang konnte das Erlernte direkt angewendet und vertieft werden, zum Beispiel bei der Beschreibung von Tieren oder deren Nahrung.

Jede der drei Woche stand unter einem Hauptthema, zu dem die Studierenden Lerninhalte entwickelten und Arbeitsmaterialien erstellten. In der dritten und letzten Woche hieß das Oberthema „Kultur“. In der von mir begleiteten Gruppe wurde dies zum Unterthema „Weltreisen“. Der Schwerpunkt lag auf verschiedenen Kulturen und Bräuchen. Flankiert wurde die Woche durch den didaktischen Auftrag, dass alle zum Ende der Woche in der Lage sein sollten, einen Brief handschriftlich zu verfassen.

Der Tagesablauf für die Lerninhalte waren ebenfalls ähnlich aufgebaut, so wurde immer zu Beginn des Tages im Kursraum auf Corona getestet (wobei die Schüler:innen sehr viel geschickter warne als wir Studierende …).  Diese Förmlichkeit wurde in allen Gruppen gleich gehandhabt. Nach diesem doch eher trockenen Start wurde mit dem individuellen Morgenritual fortgefahren, ein kleines Bewegungslied, um sich in den Tag einzustimmen. Im Anschluss arbeiteten die Schüler:innen an den Minibüchern, in das die Tagesaufgaben und Wochenergebnisse eingetragen werden konnten – natürlich schön geschrieben und verziert: Die Studierenden hatten für ausreichend Sticker und bunte Stifte gesorgt. Diese Arbeitsweise wurde individuell von Carina, Tine und Melina auf ihre Unterrichtseinheit hin, kreiert. Ein wichtiges Lernziel für die unterrichtliche Arbeit in der dritten Sommerschulwoche war, dass die Schüler:innen einen Brief verfassen und darin von Erlebnisinhalten berichten können. Im Unterrichtsteil erklärten Tine und Carina daher, wie ein Brief als Medium aufgebaut ist. Um die Sprachhandlung des „Berichtens“ in den Briefen ausführen zu können, frischten sie die Perfekt-Bildung auf und übten gemeinsam trennbare Verben. Ganz nebenbei lernten die Schüler:innen Fakten über England, zum Beispiel das Lieblingsessen „Fish and Chips“ oder dass Engländerinnen und Engländer sehr höfliche Menschen sind.

Auch wenn man mir im Vorfeld mitteilte, dass ich eine Gruppe mit einem niedrigen Sprachstand besuchen würde, empfand ich das nicht so. Die Schüler:innen hatten meines Erachtens bereits ein sehr gutes „Sprachgefühl“, dass spätestens beim lauten Vorlesen immer richtig anschlug. Sie wussten dann immer, ob sie richtig oder falsch lagen, und verbesserten sich automatisch selbst. Und dass trotz der Tatsache, dass viele der zugewanderten Schüler:innen erst seit sehr kurzer Zeit – seit acht Monaten – in Deutschland wohnten. Gleichzeitig standen ihnen die hilfsbereiten und lieben Studierenden zur Seite, die mit viel Geduld und guter Laune den Lerninhalt vermittelten und halfen, wo auch immer Probleme auftraten. Immer wieder wurden Brücken zu bereits behandelten Lerninhalten geschlagen. Die Inhalte waren hervorragend erarbeitet worden und wurden in altersgerechten Häppchen präsentiert, zum Beispiel mit „Wickie und die starken Männer“. Wussten Sie übrigens, dass es „Wickie und die starken Männer“ auch im türkischen TV gibt? Ich nicht, aber ein Mädchen, das ursprünglich aus Syrien kam, erzählte der Runde diese witzige Anekdote. Gegen 13.00 Uhr wurden die Materialien dann ins Büro zurückgebracht und für die Gruppen ging es weiter zum gemeinsamen Mittagessen, das das AKAFÖ sponserte. Hier konnten sich alle Gruppen individuell austauschen. Wichtig festzuhalten scheint mir, dass in der Mittagspause über alltägliche Dinge gesprochen wurde, und zwar mithilfe der von allen verstandenen Sprache Deutsch. Bei dieser Gelegenheit berichteten mir die Studierenden stolz, dass die Schüler:innen mittlerweile ohne Scheu eigenständig ihr Essen bestellen konnten. Ein großer Fortschritt im Vergleich zur ersten Woche der Sommerschule.

Am Freitag, 13. August 2021, schloss die Sommerschule mit einer großen Abschlussveranstaltung ihre Türen. Bei dieser Gelegenheit wurden einer interessierten Öffentlichkeit Arbeitsergebnisse der Lehr-Lerntandems präsentiert, unter anderem die erarbeiteten Minibücher.

Insgesamt war es sehr beeindruckend zu sehen, wieviel Herzblut die Studierenden in die Unterrichtsvorbereitung und die Arbeitsmaterialerstellung steckten und wie engagiert die Schüler:innen dem Unterricht folgten und mitarbeiteten. Dies war für alle Beteiligten eine großartige Erfahrung. Die „Sommerschule Deutsch als Zweitsprache“ zeigt sehr deutlich, dass Menschen, so unterschiedlich sie auch sein mögen und egal welcher Herkunft, als Gemeinschaft hervorragend interagieren und voneinander lernen können. Die einzige Voraussetzung ist, gemeinsam etwas erreichen zu wollen.

Ein großes Lob gebührt allen Beteiligten: den Organisatorinnen und Organisatoren, den Studierenden und den Schüler:innen, die dieses Projekt so positiv prägten.

Wer ist für die DaZ zuständig?
Die Sommerschule „DaZ“ wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Lena Heine durch Verena Cornely Harboe und das Sommerschulteam Cristina Schalk, Johannes Brand, Tim Wildraut und René Meier entwickelt. Nähere Informationen zum Projekt finden Sie hier.

Die Organisatoren danken den externen Expertinnen und Experten Prof. Dr. Cinur Ghaderi (Professorin für Psychologie an der EVH Bochum), Manuel Kabis (Fachanwalt für Asyl- und Migrationsrecht), Melanie Hinzke (Diplom-Pädagogin und Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie) und dem RUBeL-Team der RUB für ihre Unterstützung bei der Ausbildung der Studierenden und die Bereitstellung ihrer fachlichen Expertise.

Ein besonderer Dank gilt überdies der Stiftung der Ruhr-Universität Bochum für die großzügige finanzielle Förderung der „Sommerschule Deutsch als Zweitsprache“, ohne die das Projekt in dieser Breite und Tiefe nicht durchgeführt werden könnte, dem AKAFÖ Bochum für das großzügige Sponsoring bei der Verpflegung der Beteiligten sowie der Professional School of Education der RUB (PSE) und dem geisteswissenschaftlichen Bereich des Alfried Krupp Schülerlabors für ihre langjährige Unterstützung.

Welche Bochumer Schulen nahmen an der Kooperation teil?

  • Anne-Frank-Schule (Realschule)
  • Annette-von-Droste-Hülshoff-Schule (Realschule)
  • Erich Kästner-Schule (Gesamtschule)
  • Goethe-Schule (Gymnasium)
  • Heinrich-von-Kleist-Schule (Gymnasium)
  • Hildegardis-Schule (Gymnasium)

* Zum Schutz der Privatsphäre der Schüler:innen wurden keine Angaben oder Fotos zu Namen oder ähnlichem gemacht. Die Namen der Studierenden durfte mit deren Zustimmung veröffentlicht werden.

C.F.