Es ist Samstagabend und ich bin auf einer WG-Party in Bochum. Es sind viele Leute aus der Uni gekommen, die einen kenne ich, die anderen nicht. Auf dem Weg in die Küche treffe ich einen jungen Mann, mit dem ich ins Gespräch komme. Nach ein paar netten Smalltalk-Fragen kommt diese eine Frage, die mich in den vergangenen drei Semestern meines Studiums des Öfteren ganz unerwartet und aus dem Hinterhalt eiskalt erwischt: „Und, was studierst du so?“ Mit einem Lächeln antworte ich: „Germanistik, und du?“, um das Gespräch möglichst in eine andere Richtung zu lenken. „Dann wirst du Lehrerin, wie cool“, strahlt mich mein Gegenüber an. „Nein, ich studiere nicht auf Lehramt, mein Zweitfach ist Medienwissenschaft“, korrigiere ich ihn. Sein Strahlen erlischt und ich wappne mich innerlich schon für die nächste Frage, denn ich weiß genau, was nun folgen wird – das ist nämlich in der Regel so was wie:
„Was willst du denn mit diesen beiden Fächern mal werden? Ein Kumpel von mir hat ebenfalls Germanistik studiert und arbeitet jetzt als Taxifahrer.“ Oder: „Was willst du denn mit diesen beiden Fächern mal werden? Eine Bekannte von mir hat ebenfalls Germanistik studiert und sucht immer noch einen Job.“
Bei meiner Antwort allerdings lächelt er nur noch verlegen und ich merke, wie sein anfängliches Interesse schwindet. Mein Gesicht allerdings verzieht sich zu einem hämischen Lächeln: „Wie wäre es denn zum Beispiel mit Bundesumweltministerin?“
Aus meiner Erfahrung müssen sich vor allem Studierende, die geisteswissenschaftliche Fächer gewählt haben, vermehrt mit genau solchen Fragen auseinandersetzen. Was sind gute Antworten auf solche Fragen und warum sollte man Germanistik studieren? Seit längerer Zeit verfolge ich die Alumni-Steckbriefe auf unserer Homepage des Germanistischen Instituts. Dieses Format bietet einen Einblick darüber, in welchen Berufsfeldern Studierende nach ihrem erfolgreichen Abschluss arbeiten, wie ihre Wege so verlaufen sind und was sie dabei aus ihrem Studium mitgenommen haben.
So bin ich letzte Woche auf den Steckbrief von Svenja Schulze gestoßen: Sie wollte am Anfang ihres Studiums mit der Fächerkombination Germanistik-Politikwissenschaften noch Lehrerin werden, doch ihr Leben verlief anders als geplant. Nach ihrem Abschluss an der RUB arbeitete Schulze als Abgeordnete im NRW-Landtag und als Unternehmensberaterin, bevor sie für sieben Jahre das Amt der Wissenschaftsministerin in NRW übernahm. Heute ist sie Ministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und repräsentiert mit ihrem Gesicht Deutschlands Umweltpolitik weltweit. Doch welche elementaren Fähigkeiten erwarb Schulze im Germanistikstudium für dieses interessante Berufsfeld?
Als internationale Repräsentantin der Umweltpolitik Deutschlands sind beispielsweise eine gewisse Wortgewandtheit und sprachliche Präzision von Vorteil, die Schulze auch in schriftlicher Form perfekt beherrschen muss. Auch die Fähigkeit, Diskussionen zu leiten und gekonnt zu moderieren, zählt in jedem Fall zu den Kernkompetenzen, die für ihre Arbeit relevant sind. Nach eigener Aussage schulte das Germanistik-Studium Schulze außerdem in der Arbeit an und mit Texten: Die Analyse, das Verstehen und das kritische Hinterfragen auch komplexer Texte sowie die Fähigkeit, Strukturen zu erkennen, zählen zu den Schlüsselkompetenzen im Germanistik-Studium und in ihrem Beruf. Im Rückblick würde Schulze Studierenden heute raten, sich auf die Universität mit all ihren Möglichkeiten und Angeboten einzulassen und nicht nur starr der Studienordnung hinterherzujagen.
Der beeindruckte Karriereweg Schulzes zeigt eines ganz deutlich: Mit dem Germanistik-Studium stehen uns Studierenden vielfältige Wege bereit – neben Taxifahrer*in und Bundesminister*in zeigt sich ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Svenja Schulzes Alumni-Steckbrief macht Mut, sich nicht hinter dem Studium zu verstecken, sondern durchaus auch stolz sein zu können, ein Fach mit so viel Tiefgang und unterschiedlichen Anknüpfungspunkten gewählt zu haben. In kaum einem anderen Fach ist es möglich, in so viele unterschiedliche Berufsfelder einzusteigen. Und ganz nebenbei bemerkt: Warum nicht mal auf die gehasste Frage nach dem Wie und Warum des Germanistikstudiums schlagfertig mit einem „Wie wäre es den zum Beispiel mit Bundesumweltministerin?“ antworten?
[C. F.]